Heute gibt es – endlich – wieder ein neues Expat Interview für Euch! Ich freue mich sehr, dass uns Conny einen Einblick in ihr langjähriges Expat-Leben gibt. Nach Aufenthalten in der Schweiz und in Polen lebt Conny mit ihrem Mann und ihrer Tochter seit Anfang des Jahres hier in Chattanooga. In unserem Interview sprechen Conny und ich nicht nur über die Rückkehr nach Deutschland, sondern vor allem über die Auswirkungen des Expat-Lebens auf Freundschaften und die berufliche Situation des begleitenden Partners. Außerdem gibt Euch Conny ein paar Tipps, wie man sich auf einen neuen Standort vorbereiten kann. Viel Spaß beim Lesen (und Teilen auf Social Media)!
Liebe Conny, Du bist eine sehr erfahrene Expat-Frau, hast schon an vielen verschiedenen Orten gelebt. Erzähl uns doch mal von Deinen aufregenden und spannenden letzten Jahren!
Ursprünglich komme ich aus Dülmen. Das liegt im Münsterland am Rand zum Ruhrgebiet. Dort bin ich aufgewachsen, habe meine Ausbildungen absolviert, gearbeitet und später auch mit meiner Familie in einem Eigenheim gelebt.
2005 ging es aus beruflichen Gründen für meinen Mann, meine Tochter und mich in die deutschsprachige Schweiz. Von dort sind wir nach 2,5 Jahren direkt nach Krakau in Polen gezogen – ohne einen Zwischenstopp in Deutschland einzulegen. Das war gut, denn wir waren damals so richtig drin im Expat-Trott. Und wir waren neugierig. In Polen haben wir weitere 2,5 Jahre gelebt, bevor es 2010 wieder nach Deutschland ging. Und zwar zurück in unser eigenes Haus. Nach 18 Monaten in unserem Heimatort sind wir aufgrund einer beruflichen Veränderung meines Mannes innerhalb Deutschlands umgezogen, vom Westen in den Osten. Dort haben wir drei Jahre gelebt, bevor wir im Januar 2015 nach Chattanooga/USA gezogen sind.
Wie hast Du auf so vielen Stationen neue Freundschaften geschlossen und über diesen langen Zeitraum Kontakt zu alten Freunden gehalten?
In der Schweiz haben uns noch sehr viele Freunde aus Deutschland besucht, aber dadurch hatten wir nicht so viele Möglichkeiten Schweizer kennenzulernen. Die wenigen Kontakte, die ich knüpfen konnte, entstanden durch meine Tochter und durch Weiterbildungen, an denen ich teilgenommen habe. Ansonsten war ich in der Zeit sehr viel allein. Schweizer sind leider nicht so leicht zugänglich, doch per Telefon und E-Mail konnte noch einigermaßen der Kontakt zur „alten“ Heimat gehalten werden.
In Polen haben wir nicht mehr viel Besuch bekommen. Die Strecke war nicht mal eben mit dem Auto zu fahren; Flüge mussten gebucht werden. Spontan konnte keiner vorbeikommen. Über die internationale Schule, die meine Tochter besucht hat, habe ich sehr viele neue Leute kennengelernt. Von den deutschsprachigen Frauen wurde ich sofort zu einem Frühstück eingeladen und ich habe mich einer internationalen Frauengruppe (IWAK – International Women’s Association of Krakow) angeschlossen, wo ich die Mitgliederverwaltung organisiert habe. Innerhalb dieser Gruppen haben wir viel unternommen. Es war eine tolle Zeit, denn ich kannte auf einmal über 100 Frauen, aus allen Herrenländern, die in derselben Situation waren wie ich. Alle waren sehr aufgeschlossen und ich habe viele neue Freunde gewonnen. Doch gleichzeitig wurde es auch schwieriger, den Kontakt nach Deutschland zu halten.
Wie war das mit den alten Freundschaften, als Du nach insgesamt fünf Jahren in der Schweiz und Polen wieder zurück in Dein altes Umfeld gekommen bist?
Zurück in Deutschland habe ich mir Zeit gelassen, bis alles wieder seinen geregelten Ablauf hatte, bis die alten Freunde wussten, dass wir wieder da sind. Obwohl ich nach der langen Zeit schon gemerkt habe, dass sich einiges verändert hat. Viele Kontakte sind auf der Strecke geblieben. Und wenn ein Kontakt bestehen blieb, musste vieles von uns kommen.
Warum war das so – fehlen die Gemeinsamkeiten?
Ja. Aufgrund der Entfernung bekommt man den Alltag der Freunde nicht mehr mit. Bei Telefonaten tauscht man sich eher über die schönen Dinge des Lebens aus. Probleme versucht man mit sich selber auszumachen. Vielleicht habe ich mich verändert, aber vielleicht hat es vorher auch nicht so gestimmt. Alle verändern sich. Fünf Jahre sind eine lange Zeit, vor allem dann, wenn man den Veränderungsprozess nicht zusammen durchmacht. Vielleicht sind es einfach die Bekanntschaften und nicht die Freundschaften, die auf der Strecke geblieben sind. Es ist schwierig, zwei Freundeskreise – den im Ausland und den in Deutschland – gleich gut zu pflegen.
Die Erfahrung habe ich auch gemacht. Freundschaften schließen und pflegen kostet sehr viel Zeit und Energie. Du willst Dich weiterhin um Deine Freunde in Deutschland kümmern, aber gleichzeitig auch an Deinem neuen Wohnort Anschluss finden. Und weil man nur begrenzte Zeit hat, muss gezwungenermaßen irgendetwas auf der Strecke bleiben.
Hattest Du denn in Chattanooga schon im Vorfeld Kontakte?
Im Vorfeld noch nicht, jedoch wusste ich von Arbeitskollegen meines Mannes, dass sich die deutschsprachigen Frauen einmal im Monat zum Essen treffen. Ende Januar war ich gleich bei einem dieser Treffen dabei und so ging es recht schnell mit neuen Kontakten.
Was hast Du beruflich gemacht?
Ich bin gelernte Maschinenbautechnikerin, habe aber jahrelang in der Anwenderbetreuung gearbeitet. Ich habe die Hotline betreut, Dokumentationen erstellt, Schulungen durchgeführt und neue Konzepte entwickelt. Bis auf das Programmieren haben wir alles selber gemacht und das war eine tolle Aufgabe! Da ich in der Schweiz nicht arbeiten durfte, habe ich noch an diversen Englischkursen teilgenommen und eine Zusatzausbildung zur Marketing-Assistentin gemacht. In Polen wurde es aufgrund der Sprache richtig schwierig, doch ich habe einige Arbeiten an der Internationalen Schule durchgeführt und sehr engagiert bei IWAK mitgearbeitet.
Vor der Schwangerschaft habe ich full time gearbeitet, mit Kind Teilzeit auf einer halben Stelle. Als wir in die Schweiz gegangen sind, wurde ich von meiner Firma, mit einer dreijährigen Wiedereinstellungsgarantie, freigestellt. Aber durch unseren Polen-Aufenthalt konnte ich diese nicht wahrnehmen und musste kündigen. Das Kündigungsschreiben aufzusetzen fiel mir unendlich schwer. Das war der Moment, wo ich gedacht habe, jetzt gebe ich ein Stückchen meiner Unabhängigkeit auf. Typisch traditionelle Rollenverteilung und ich bin die abhängige Hausfrau.
Die drei Jahre waren also um, als Ihr noch in Krakau gelebt habt. Wie ging es dann für Dich nach Eurer Rückkehr nach Deutschland weiter?
Wir waren schon über ein Jahr wieder zurück, bis ich wieder was machen wollte. In Teilzeit, damit ich auch für meine Tochter da sein kann. Also habe ich mir gesagt: Jetzt gehst du mal zum Arbeitsamt und lässt dich beraten. Und dort wurde ich gegrounded! Ich hatte vorher noch geglaubt, dass ich eine super Ausbildung und dazu noch 22 Jahre Berufserfahrung habe. Das ist doch was, was sich vorweisen lässt. Aber innerhalb von fünf Minuten hatte die Sachbearbeiterin mich geschockt: „Das sind tolle Referenzen und Zeugnisse, aber Sie sind 5 Jahre raus aus Ihrem Job. Sie fangen wieder bei Null an.“ Der einzige Tipp, den ich von ihr in unserem Gespräch bekommen hatte, war, bei meiner alten Firma anzufragen, oder mir einen Praktikumsplatz zu suchen. Und das war’s…
Kaum zu glauben… Was hast Du nach dem Gang zum Arbeitsamt gemacht?
Ein alter Kollege von mir, zu dem ich noch sporadisch Kontakt hatte, war mittlerweile Leiter der Abteilung. Zum Glück haben wir uns immer gut verstanden und er hat mir einen Praktikumsplatz organisiert. Nach ein paar Wochen wurde mir dann eine befristete Stelle als Schwangerschaftsvertretung angeboten. Welche ich natürlich angenommen habe, in der Hoffnung, dass sich vielleicht noch andere Türen für mich öffnen.
Als ich damals in den Mutterschutz ging, habe ich sehr gut verdient. Nach der Geburt meiner Tochter, hatte ich zuerst eine halbe Stelle in der gleichen Gehaltsgruppe. Nach einem Jahr wurde mir gesagt, da ich ja nur noch die halbe Stelle habe und somit keine Projekte mehr betreuen könnte, habe man eine Umstrukturierung vorgenommen. Für mich bedeutete das, dass ich eine Gehaltsgruppe runtergestuft wurde.
Die Krönung war jedoch, dass ich nach dem Praktikum noch einmal drei Gruppen tiefer eingestuft wurde. Ich habe für die gleiche Tätigkeit, die ich auch 6 Jahre vorher ausgeübt habe, noch einmal weniger bezahlt bekommen. Das ist soooo traurig. Frauen mit einer guten Ausbildung, die Arbeit und Kind unter einen Hut bringen möchten, haben es selbst heutzutage noch schwer. Findet man eine der wenigen Teilzeitstellen, sind diese nicht so gut bezahlt. Diese Arbeit machst Du nur, weil es Dir Spaß macht. Deine Familie kannst Du damit nicht ernähren.
Wie lange hast Du diesen Job gemacht?
Acht Monate. Dann haben wir in Zwickau nochmal neu angefangen und zum zweiten Mal ein Haus gebaut. Das war mein Projekt. Übergangsweise haben wir in einer Mietwohnung gewohnt; ich war jeden Tag als Bauleiterin vor Ort. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass mich sogar der Architekt gefragt hat, ob ich bei ihm arbeiten möchte. Es ist leider nie was daraus geworden.
Als Haus und Garten fertiggestellt waren, habe ich gedacht „Hey, jetzt wäre doch ein guter Zeitpunkt, um wieder ins Berufsleben zurückzukehren“. Aber das war in Ostdeutschland nicht so einfach. Die wenigen Stellen, die angeboten wurden, waren Vollzeit. Und dann kam auch schon mein Mann nach Hause und fragte, ob wir uns auch vorstellen könnten, in Amerika zu leben. Amerika fehlte noch auf unserer Liste!
Hast Du einen Tipp, wie man sich auf einen neuen Standort vorbereiten kann?
Für uns ist das Wohnen das A und O. Mit einer schönen Wohnung oder einem passenden Haus, in dem man sich wohlfühlen kann, kommt man schneller an. Seit 10 Jahren ziehen wir mit unserem gesamten Hausstand durch die Lande und das ist gut so, denn sobald wir die Umzugskartons ausgepackt haben, die Bilder an den Wänden hängen, sind wir Zuhause. Mit unseren vertrauten Sachen und unseren Gerüchen. Man sollte darauf achten, dass die Distanzen zwischen Wohnen und Arbeit nicht zu groß sind, und Schule oder Kindergarten müssen gut zu erreichen sein. Und ganz, ganz wichtig ist, dass die Familie an einem Strang zieht, d.h. auch die Kinder sollten auf jeden Fall mit einbezogen werden.
Zur Vorbereitung liebe ich das Internet. Mein Mann muss mir nur einen möglichen neuen Standort nennen und los geht’s: ich schaue, was das Land, die Stadt und Umgebung zu bieten haben, aber am meisten mag ich die Häuser-Seiten. Mir ist eine schöne Unterkunft sehr wichtig, ich muss mich darauf freuen können, denn ich möchte und muss ein neues Nest für meine Familie bauen.
Unterstützung bekommt man auch von den Relocation-Agents, aber ich bin gerne vorbereitet. Ich möchte wissen, was mich in dem neuen Land erwartet, eventuell muss ich Kompromisse eingehen. Wir haben für uns festgestellt: Mit einem Haus, in dem sich die gesamte Familie wohlfühlt, geht alles, egal wo man lebt auf der Welt.
Liebe Conny, vielen Dank für das Gespräch und dass mit Dir ein richtig frischer Wind in unsere deutsche Expat-Community in Chattanooga eingezogen ist! Ich freue mich auf viele weitere Coffee Mornings und unsere wöchentlichen Speed-Walks im Park.
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Photo Credit: Portrait-Photo – Tina Busch / alle anderen Photos – Conny privat.
Liebe Tina, liebe Conny,
vielen Dank für dieses persönliche Interview. Ich lese die Interviews immer mit ein bisschen Gänsehaut-Feeling. In der Fremde zu sein hat was sehr aufregendes und manchmal auch einsames für mich. Ich bin auch dankbar über die Erfahrung, selbst einmal Ausländer in einem Land zu sein; da sieht man manches anders. Ich hoffe diese Sicht bleibt mir lange erhalten.
Bis zum nächsten Frühstück, ich freue mich schon sehr auf euch,
Rachel
Hallo Rachel,
diese Outsider-Perspektive finde ich auch immer noch spannend und ich freue mich darauf, mit dieser Sichtweise im nächsten Jahr mein Heimatland neu (wieder) zu entdecken. Mal gucken, wie lange man diese Sichtweise tatsächlich beibehalten kann…
Sehen wir uns beim Coffee Morning nächste Woche???
Lieben Gruß,
Tina
Liebe Conny, liebe Tina,
ich finde es wieder mal sehr beeindruckend, wie zupackend, flexibel und aufgeschlossen Frauen wie du Conny, das Abenteuer Ausland gleich mehrmals angehen. Und mir bleibt jedes Mal die Spucke weg, wenn ich höre, das solch gestandenen Frauen als Wiedereinstieg ein Praktikum angeboten wird. Leider scheint es bislang bei keinem Arbeitgeber positiv zu Buche zu schlagen, was man im Ausland an Fremdsprachenkenntnissen und Erfahrungen dazugewonnen hat. Bei mir war es nicht anders. Trotz Ausland promoviert und fließend Englisch gelernt? Tja, tut uns leid, das interessiert in Deutschland niemanden. Es zählt nur, wieviel Auszeit im Lebenslauf steht. Das macht mich immer noch wütend. Ich wünsche uns allen, dass sich das ändert.
Herzliche Grüße nach Chattanooga!
Jonna
Liebe Jonna,
als ich mich mit Conny unterhalten habe, bin ich an diesem Punkt auch richtig wütend geworden (was auf der Audio-Aufzeichnung deutlich hörbar ist! Vielleicht sollte ich ja doch einen Podcast aus meiner Interview-Reihe machen…). Mir graust es schon vor dem, was mich bei meiner Rückkehr erwartet, und eine Promotion ist in diesem Zusammenhang wahrscheinlich nicht unbedingt hilfreich, oder? Ich wünsche mir auch so sehr, dass sich was ändert und ich hoffe, dass ich mit diesen Interviews zumindest zeige, dass frau mit ihren Erfahrungen nicht alleine ist!
Liebe Grüße und Dir ein schönes Wochenende,
Tina