Auf dieses Expat Interview freue ich mich ganz besonders: Nicht nur, weil Dana eine unglaublich sympathische Person ist, sondern weil ich von ihr immer viel Neues über die Cafe-Szene in Chattanooga oder über Kaffee allgemein erfahre. So auch in diesem Interview. Viel Spaß beim Lesen!
Liebe Dana, Du kommst ursprünglich aus der Nähe von Dresden. Also war Russisch Deine erste Fremdsprache. Hast Du überhaupt Englisch gesprochen, als Ihr vor fast fünf Jahren in die USA gezogen seid?
Ein bisschen, aber nicht wirklich sicher. Ich hatte ab der 8. Klasse Englisch-Unterricht, aber nicht mit dem gleichen Fokus wie Russisch unterrichtet wurde. Als wir hierher gekommen sind, war es meine Motivation, Englisch von Grund auf zu lernen – in einem Land, in dem als Muttersprache Englisch gesprochen wird.
Warst Du erfolgreich?
Ich lerne immer noch, bin aber recht zufrieden mit meinen Fortschritten. Ich hatte Privat-Unterricht und war darüber hinaus noch drei Monate an der Uni, an der UTC, und habe ein ESL-Programm für Non-Native Speaker belegt und einen TOEFL-Abschluss gemacht.
Jetzt neigt sich Eure Zeit in Chattanooga so langsam dem Ende entgegen. Ende Juni schickt Ihr Euren Container auf Reisen. Wisst Ihr denn, wohin es geht?
Das ist ein großes Fragezeichen. Es gibt mehrere Optionen, die aber erstmal genau besprochen und definiert werden müssen. Eine Möglichkeit ist, dass wir in den Norden Deutschlands ziehen. Wir haben also noch keine Flüge gebucht und haben auch noch nicht das fixe Datum definiert.
Würdest Du gerne noch länger bleiben?
Ich glaube, es ist Zeit zu gehen. Wir haben uns die ganze Zeit von einer Verlängerung zur nächsten gehangelt: wir sind mit einem Vertrag für zwei Jahre hierhergekommen und haben im letzten Herbst den Vertrag auf in Summe fünf Jahre verlängert. Und jetzt ist auch gut. Ich hab das Gefühl, dass ich hier viel gesehen und erlebt habe. Ich habe mich hier sehr wohl gefühlt und die Zeit genossen, aber jetzt bin ich ready, etwas Neues zu beginnen.
Was war besonders schön? Was wirst Du vermissen?
Das Leben fühlt sich hier leicht an, leichter als in Deutschland. Die Leute sind viel lockerer und positiver. Vielleicht liegt es einfach auch am schöneren Wetter: wenn es einen Tag regnet, weißt Du ganz genau, dass die Sonne bald wieder raus kommt. Ich werde die vielen lieben Menschen vermissen, die ich hier kennengelernt habe und auch die unendlichen Möglichkeiten, etwas Neues auszuprobieren und immer auf positive Unterstützung und Enthusiasmus zu treffen. Uns ist es hier natürlich auch total leicht gemacht worden durch die ganze Unterstützung vom Arbeitgeber meines Mannes. Ich habe den Luxus gehabt, das Leben genießen zu dürfen – ohne wirklichen Druck arbeiten zu müssen. Das ist das Besondere am Leben in den USA.
Glaubst Du, dass dieser Druck in Deutschland kommen wird?
Ja. Den mache ich mir bestimmt auch selber. Ich habe das Gefühl, dass in Deutschland die Erwartungshaltung anders ist. Würde ich zuhause bleiben, nur die Dinge machen, die mir Spaß machen und den Rücken meines Mannes freihalten, damit er sich auf die Arbeit konzentrieren kann, würde ich bestimmt von vielen komisch beäugt werden. Und das würde hinterfragt werden: wieso, weshalb, warum macht die das so? Ich glaube, dass es zum einen die gesellschaftliche Erwartung gibt und zum anderen auch den Druck, den ich mir selbst mache.
Wie sieht Dein beruflicher Hintergrund aus?
Ich bin Diplom-Sozialpädagogin und Sozialarbeiterin und habe drei Jahre aktiv als Jugendpflegerin in einer Gemeinde gearbeitet. Dann bin ich in den Personalbereich gewechselt, habe anfangs Azubis betreut und bin letztendlich auf Personalentwicklung umgestiegen.
Hast Du Deinen Job gekündigt, bevor Ihr in die USA gezogen seid?
Jein. Wir haben in beiderseitigem Einvernehmen den Arbeitsvertrag beendet, aber ich habe eine Wiedereinstellungszusage bekommen, die auch immer noch gültig ist. Im Moment bin ich mir noch nicht sicher, ob ich dort wieder anknüpfen will oder vielleicht etwas Neues anfange.
Freust Du Dich auf Deutschland?
Ich freue mich darauf, dass etwas Neues passiert. Aber ich habe noch ein komisches, nicht beschreibbares Gefühl, was es denn nun genau werden wird. Ich weiß zwar, dass ich mich in Deutschland schneller zurecht finden werde, egal wo wir hinkommen. Trotzdem habe ich Angst, ob ich mit der Mentalität so gut klar komme. Ob ich wieder Menschen um mich herum finde, die mir gut tun und zu denen ich eine Freundschaft aufbauen kann. Und ob ich nicht vom Pessimismus bzw. vom Sicherheitsdenken, das in Deutschland vorherrscht, angesteckt werde. Es ist ja nicht nur Pessimismus, sondern es ist dieses kritische Hinterfragen und erst einmal Abwarten. Das ist eine komische Mischung, welche die Deutschen drauf haben. Manchmal ertappe ich mich auch noch dabei…
Bereitest Du Eure Rückkehr schon irgendwie vor?
Ich habe noch keine Listen geschrieben und auch noch nichts sortiert. Aber es gibt da eine Liste, zu der immer wieder was dazu kommt: unsere Shopping-Liste mit kleinen Dingen, die wir lieb gewonnen haben. Mein Mann und ich lieben es, auf Flohmärkte zu gehen und in Vintage- und Antikläden zu stöbern. Wir haben schon ein großes Sammelsurium an typisch alten Vintage-Sachen, die Made in USA sind, aber wir können davon nicht genug bekommen. Wir sind zum Beispiel noch auf der Suche nach einer Coca-Cola-Kiste und alten Mason Jar Gläsern.
In Chattanooga gehen wir sehr gerne ins Knitting Mill, ein Antik- und Vintage-Markt mit Ständen von Privatleuten. Da kann man durchschlendern und findet immer was Nettes. Ansonsten gehen wir gerne auf die riesigen Open Air Flohmärkte in Atlanta oder Nashville. Das werde ich vermissen! Deshalb schwebt auch eine Idee in meinem Kopf rum, dieses Hobby vielleicht irgendwann mal zu meinem Beruf zu machen.
Dana, Du hast Dich ja aber hier nicht nur auf Flohmärkten „rumgetrieben“, oder? Erzähl uns doch mal von Deinem anderen Hobby bzw. Deiner Leidenschaft!
Vor ein paar Jahren bin ich mit einer Freundin zufällig im Camp House gelandet. Sie wollte mir zeigen, wo man richtig guten Kaffee trinken kann. Schon die Location hat mich beeindruckt: diese Mischung aus alt und neu, dieser Industrial Chic. Und der Kaffee war super gut.
Die Zubereitung war so, wie ich das von unseren Reisen nach Italien oder Spanien kenne: guter Espresso, Milch drauf und tolle Verzierungen mit Latte Art. Das hat mich aufhorchen lassen. Insbesondere hat mich interessiert, wie der Kaffee gemacht wird. Wie funktioniert eine Siebträgermaschine? Kurze Zeit später bin ich über das Barista-Magazin gestolpert und habe dort ein Inserat von der American Barista Coffee School in Portland, Oregon, gesehen. Dort wird ein Barista-Training angeboten. Da dachte ich mir, das machst Du doch. Eine Woche Training in Portland und mir wird klarer, ob mir das gefällt oder nicht. Und genau so war es!
Erklär uns doch mal, was genau ein Barista ist.
Barista beschreibt den Menschen, der hinter der Kaffeemaschine steht und den Kaffee zubereitet. Ein Barista weiß, wie der Kaffee, den er zubereitet, schmecken sollte, kennt die Schritte zur Zubereitung, weiß, welche Mengen benötigt werden und kann Auskunft zu Herkunft und Qualität geben. Der Begriff kommt übrigens aus dem Italienischen und ist dort eine anerkannte Berufung.
Was hast Du bei dem Training in Portland gelernt?
Viel zur Historie: wo ist Kaffee entdeckt worden, wo wird er angebaut. Wie bereitet man Kaffee zu: vom Mahlen der Bohnen, über Laufzeit, Qualitätsmerkmale bis hin zur Funktion der Maschine. Welche Kriterien sprechen für einen guten Kaffee? Welche Mengen? Welche Temperaturen? Und auch viel Praxis: ich stehe hinter der Kaffeemaschine und lerne, den Kaffee zuzubereiten, step by step. Ich schäume die Milch und führe beides zusammen. Dazu noch viele Informationen rund um den Coffee Shop: Personal, Räumlichkeiten, Miete, Kosten, Menu usw.
Wie ging es nach dem Training weiter?
Mit meinem Zertifikat (und einem Anstubser von meinem Mann) habe ich den Manager vom Camp House angesprochen und gefragt, ob ich ein Praktikum machen kann. Dann ging alles ganz schnell und jetzt arbeite ich dort schon seit zwei Jahren als Volunteer.
Hast Du Dich in den zwei Jahren auch weitergebildet?
Zusätzlich zum Praktischen bin ich regelmäßig nach Atlanta ins Trainingscenter von Counter Culture Coffee gefahren. Das mache ich immer noch. Counter Culture ist der Kaffeeröster, der das Camp Hause mit Kaffee beliefert. Die bieten für Mitglieder und deren Mitarbeiter kostenlose Trainings an, von Espresso oder Milk Skills, über Latte Art bis hin zu der Herkunft des Kaffees. Um ein Zertifikat zu bekommen, muss man mehrere Kurse machen und hat am Ende eine schriftliche und praktische Prüfung. Letztendlich entscheidet das Auditorium, ob Du Deine Barista-Prüfung bestehst. Daran arbeite ich gerade.
Das willst Du also vor Deiner Rückkehr noch fertig machen?
Ja, das ist mein Ziel. Das ist was besonderes und ein Alleinstellungsmerkmal. Außerdem macht es mich stolz und bescheinigt, dass ich die Barista-Skills habe.
Was hast Du denn mit Deiner Ausbildung mal vor?
Mein Plan ist, mir schnellstmöglich ein Bild von der Kaffee-Szene an unserem neuen Wohnort zu machen. Da gibt es bestimmt einige traditionelle Cafés, in denen man sich hinsetzt und bei der Bedienung eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen bestellt. Das unterscheidet sich aber von meiner Idee: Ich würde gerne einen American-style Coffee Shop eröffnen, wo der Fokus auf Speciality Coffee liegt, also auf hochqualitativem Kaffee.
Weißt Du denn, wo Du solche Kaffeebohnen beziehen kannst?
Das wird eine Herausforderung. Ich weiß, dass auf dem europäischen Markt die italienischen Marken vertreten sind. Aber deren Fokus ist auf dem Massenprodukt. Die kaufen Kaffee in großen Mengen auf, arbeiten aber nicht direkt mit Farmern zusammen. Die können Dir auch nichts über die Mischung erzählen oder wie der Kaffee produziert wird, ob er zum Beispiel gewaschen oder sonnengetrocknet wird.
Bei Counter Culture ist das anders: Counter Culture geht direkt in die Länder, wo Kaffee angebaut wird und macht Verträge direkt mit den Farmern oder Kooperativen. Sie gucken sich die Produktion von Kaffee genau an: als Frucht am Strauch bis hin zur grünen Bohne und kaufen kleinere Mengen von unterschiedlichen Farmern. Mit diesen Bohnen kann Counter Culture unterschiedliche Kaffees anbieten und verschiedene Kaffeeprofile entwickeln, die vom Geschmack oder von der Röstung abhängig sind. In der Regel bekommen sie die grünen Bohnen zum Hauptsitz in North Carolina geliefert. Dort gibt es ein Röster-Labor mit speziell ausgebildeten Röstern, die aus der grünen Bohne mit der Technik des Röstens das beste Aroma rausholen können. Eine grüne Bohne hält ein halbes Jahr; eine geröstete Bohne sollte man innerhalb von einem Monat verbrauchen, sonst verliert sie ihr ganzes Aroma.
Ich habe einen Kontakt bei Counter Culture, der mir einige Kaffee-Röster in Europa empfehlen wird, die für speciality coffee roasting bekannt sind. In Berlin gibt es zum Beispiel einen kleinen Coffee Shop, der weltweit bekannt ist: The Barn. Die rösten ihren Kaffee selber und haben ein ähnliches Konzept, wie ich es mir vorstelle: espressobasierte Drinks, Pour Over Coffee, eine kleine Auswahl an Speisen und ein minimaler Bereich zum Sitzen. Mit denen möchte ich gerne Kontakt aufnehmen.
Beliefert Counter Culture auch den europäischen Markt?
Nein, sie wollen nur auf dem amerikanischen Markt arbeiten. Das geht auch wegen der Lieferzeiten nicht anders. Der Kaffee wäre ja nicht mehr frisch. Und was ist, wenn ich zum Beispiel einen Engpass habe und schnell Nachschub brauche? Das würde gar nicht funktionieren.
Aber wer weiß, was Dir durch die Suche nach einem Kaffee-Röster für Möglichkeiten offen stehen! Das ist doch spannend. Du kannst mit dem Coffee Shop in Berlin Kontakt aufnehmen, die Coffee Shop Szene in den Großstädten entdecken. Da würde ich Dich total gerne begleiten…
Verrätst Du uns zum Schluss noch Deine persönlichen Insider-Tipps für Chattanooga und Umgebung?
- Camp House, Brash Coffee, Farmer’s Daughter für leckere Espresso-Getränke
- Blue Skies und Sophie’s für kleine Geschenke
- Coolidge Park und Renaissance Park zum Abschalten
- Point Park auf Lookout Mountain für einen schönen Blick auf Chattanooga, mit Wanderwegen, zum Beispiel zum Sunset Rock
Gibt es etwas, was Du anderen Expats mit auf den Weg geben möchtest?
Ich kann nur empfehlen, relativ schnell Kontakt zu anderen Expats, die schon länger hier sind, aufzunehmen und aufgeschlossen zu sein für deren Anregungen. Dann hat man schon einen Anker, auf den man immer wieder zurückgreifen kann.
Und wie sehen Deine letzten Monate aus?
Ich mache meinen Certified Barista bei Counter Culture, reise zur Vorplanung kurz nach Deutschland und mache im Mai eine Abschiedsreise. Wohin wissen wir allerdings noch nicht.
Liebe Dana, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Dein Barista-Zertifikat. Auf Deinem Weg zum eigenen Coffee Shop werden wir Dich gerne begleiten. Vielleicht magst Du uns ja regelmäßig ein Update über Deine aktuellen Pläne geben!?
Dana hat kurz vor ihrer Abreise die Prüfung zum Barista bestanden! Herzlichen Glückwunsch! Im Norden Deutschlands ist Dana dann allerdings doch nicht gelandet… Die neue Station is Bratislava! Mehr dazu könnt Ihr hier lesen.
Weitere Expat Interviews findet Ihr hier.
Ein spannendes Interview! Alles Liebe für die Zukunft, ich hoffe dass Dana sich den american spirit erhalten kann. LG! Manuela
Hallo Manuela, vielen Dank für Deinen Kommentar! Gerade heute habe ich mich von Dana verabschiedet und bin sehr gespannt darauf, wie es in ihrem neuen Leben weitergeht. So viel verrate ich schon mal: es geht für Dana nicht zurück nach Deutschland… Liebe Grüße, Tina
liebe Tina, schöne Artikel, gut zu lesen. werde hier immer mal vorbei schauen. LG emma