Ein sehr lieber Mensch sagte vor ein paar Jahren zu mir, nachdem sie längere Zeit nichts von mir gehört hatte: „Tina, Du hast einfach zu viele Freunde! Da muss ich mich eben hinten anstellen.“ Ein paar Gedanken zum Thema „Freundschaft“ – als Expat, als Mama, als Mitt-End-Dreißigerin.
Kann man zu viele Freunde haben?
Ich bin jemand, der sich schon immer viel Gedanken um Freunde und Freundschaften gemacht hat. Ich bin stolz darauf, dass ich Freunde habe, die ich schon aus der Sandkiste im Kindergarten kenne. Und im Laufe der Zeit sind immer neue Freunde dazugekommen. Aus jedem wichtigen Lebensabschnitt (Studium, Auslandsaufenthalte, Krabbelgruppe) sind ein paar liebe Menschen an mir „kleben“ geblieben (oder ich an ihnen :-)).
Manche sind mir auch abhanden gekommen, aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Seitdem ich Mama bin und als Expat im Ausland lebe, habe ich aber ein großes Problem: Kids come first, Bloggen macht sehr viel Spaß, Zeit ist also knapp und der Zeitunterschied zu Deutschland eine sehr große Herausforderung. Aber trotzdem möchte ich all meine Freundschaften gerne pflegen. Nur wie? Wie halte ich den Kontakt zu lieb gewonnen Menschen aufrecht, die gerade nicht Teil meines Alltags sind? Da gibt es die besagten Sandkasten-/ Schul-/ Studien-Freunde, alte Handballerinnen, Krabbelgruppen-Mitstreiter, alte neue Expat-Freunde, die schon wieder in Deutschland sind. Und wie kümmere ich mich gleichzeitig um die Menschen, die aktuell Teil meines Lebens sind: (neue) Expat-Freunde, Locals, Online-Bekanntschaften, die ich über meinen Blog und auf Facebook oder Instagram kennenlerne und denen ich mich auch verbunden fühle. Oder potentiell neue Schul- oder Nachbars-Freunde meiner Kinder – die Liste könnte ich noch unendlich weiterführen. Ganz schön viel, oder?
Hier habe ich bereits vor einem Jahr geschrieben, dass Freundschaften schließen Zeit braucht. Freundschaften pflegen aber auch! Und darin war ich in den letzten Monaten wirklich nicht besonders gut. Skype-Dates mit Deutschland liegen locker zwei und mehr Monate zurück. Meine Whats-App-Antworten lassen auf sich warten oder kommen manchmal auch gar nicht. (Spontan) zum Hörer greifen und telefonieren? Hab ich in meiner Expat-Zeit nur ganz selten gemacht. Briefe oder E-Mails brauche ich gar nicht mehr zu erwähnen. Die Zeiten sind vorbei.
Mein Problem ist aber auch, dass ich manchmal nicht mehr weiß, welche Freundschaften, gerade wichtig sind und wo sich das Zeit-Investieren wirklich „lohnt“! Es passiert so oft, dass ich mich entscheiden muss: Quatschen bei einem Skype-Date mit Deutschland oder bei einem Iced Latte im Coffee Shop um die Ecke? Lohnt es sich, mit der Mama, die ich beim ersten Schuleltern-Abend kennengelernt habe, Nummern auszutauschen und die lange School-Supplies-Liste gemeinsam abzuarbeiten? Lade ich meine Nachbarin vielleicht doch mal auf eine Tasse Kaffee ein, während unsere Kids das Kinderzimmer auf den Kopf stellen? Und ab welchem Zeitpunkt habe ich mich genug angestrengt und jetzt ist auch mal der Andere dran? Zu einer Freundschaft gehören ja schließlich immer Zwei!
Ich mag meine Freunde nicht kategorisieren in „wichtig“ und „nicht so wichtig“. Aber so wie in den letzten Monaten kann es doch auch nicht weitergehen! Da kam Episode 14 vom Sorta Awesome-Podcast gerade zur rechten Zeit (über meine Lieblings-Podcasts konnt Ihr hier noch mehr lesen). Folgende „Weisheiten“ habe ich mir von den Gastgebern Laura und Megan mit auf den Weg geben lassen:
- Die von mir beschriebene Freundschaften-Problematik ist nicht ein spezielles Expat-Problem, sondern betrifft tatsächlich fast alle Mütter. Besonders die, die öfter ihren Wohnort wechseln.
- Auch Amerikaner haben gute alte Freunde, die sie schon seit ihrer Kindheit kennen. Gut zu wissen, dass nicht alles hier oberflächlich ist.
- Im Gegensatz zu unseren Kindern macht man als Erwachsener Freunde nicht mehr einfach so nebenbei. Man muss sich anstrengen!
- „Friends that know all of your backstory are invaluable.“
- Treat new friends just like old friends. Invite them to stay for dinner, have a drink after work…
- Consider a „standing weekly date“ to touch base. Sunday Waffles or Friday Night Meatballs – whatever works for you and your life right now.
Besonders den letzten Punkt finde ich toll (und hatte hier auch schon mal drüber geschrieben): regelmäßig, formlos und ohne Zwang Freunde zu uns nach Hause einzuladen– egal ob alt oder neu, Expat oder Amerikaner, junges oder weiter fortgeschrittenes Lebensalter, mit oder ohne Kinder. Jeder kann kommen. Einmal, mehrmals, immer. Mein Mann macht die weltbesten Meatballs, unsere Back Porch ist groß genug für die Bierzelt-Garnitur und das Konzept lässt sich locker in Deutschland weiterführen! Wer ist Freitag dabei? Du Katharina?! Please bring your own beer (and chair)! Fürs Essen sorgen wir!
Damit lösen sich zwar nicht gleich alle Probleme in Luft auf, aber es ist zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung!
Jetzt interessiert mich natürlich sehr, was Ihr über das Thema „Freunde und Freundschaften“ denkt! Geht es Euch auch so? Wie pflegt Ihr Eure Freundschaften? Glaubt Ihr, dass man zu viele Freunde haben kann? Kategorisiert Ihr Eure Freunde? Ich freue mich auf Eure Kommentare!
Hi Tina,
Du hast mir aus meiner tiefsten Seele gesprochen. Wir leben seit 1 Jahr in den USA und der Abschied von Freunden ist mir sehr schwer gefallen und da ich derzeit in meinem neuen Leben mit Kindern und Arbeit so eingespannt bin kann ich nicht allen gerecht werden wie ich es gerne würde. Vielleicht trennt sich hier dann auch die „Spreu vom Weizen“ keine Ahnng aber ich genieße derzeit auch den „Zugewinn“ an Menschen hier in den USA.
Danke für deinentollen Blog Monique
Liebe Monique,
vielen Dank für Deinen Kommentar und herzlich willkommen auf meinem Blog! Wie schön, dass Dir mein Post so nah gegangen ist. Ich bin ja nun schon seit 4 Jahren hier und wie Du merkst, lässt mich das Thema nicht los. Ich bin auch der Meinung, dass sich durch einen Auslandsaufenthalt die Spreu vom Weizen trennt und manches Ende einer Freundschaft, die vielleicht doch mehr Zweckgemeinschaft war, beschleunigt. Ich wünsche Dir eine schöne Zeit hier in den USA (magst Du mir verraten, wo genau Du lebst) und viele neue Freunde!
Tina
Hahaha, Tina! Ich kann leider diesen Freitag nicht. Bin mit neu gewonnenen amerikanischen Freunden beim Pizzaessen und anschliessend gucken wir nen Film vom Chattanooga Film Festival im Camp House an.
Unkomplizierte Zusammenkuenfte (z.B. Meatball Party), aber auch spontan Leute zu sich Zuhause einzuladen sind wirklich sehr gute Wege Freundschlaften zu vertiefen. Man kann so auch noch weitere Gemeinsamkeiten entdecken und durch den Einrichtungsstil gibt man viel ueber sich Preis. Aber das Thema Freundschaft kann wirklich sehr heikel und zeit-intensiv sein. Wer will keine Freunde haben? Jedoch muss gleichzeitig immer genug Zeit & Freiraum fuer einen Selbst und die Familie/Partner sein.
Schade Rina! Dann werd ich Deinen Platz bei den Friday Night Meatballs anderweitig vergeben. Wer hat Interesse?
Du hast Recht: man braucht auch genug Zeit und Freiraum für sich selbst, für die Kinder und den Partner. Vielleicht gibt es einfach Lebensabschnitte, in denen Freunde erst an dritter oder vierter Stelle kommen. Das ändert sich vielleicht wieder, wenn die Kinder größer sind oder wir wieder zurück in Deutschland sind. Hier ist das Leben ja doch sehr auf die Familie konzentriert.
Viel Spaß bei der Freundschaftspflege mit Deinen neuen amerikanischen Freunden!
Lieben Gruß,
Tina