Vor ein paar Wochen hatte ich bereits erwähnt, dass 2015 ein Jahr der Abschiede wird. Zwar verabschieden wir uns noch nicht, aber wir müssen dürfen hautnah miterleben, was bald auf uns zukommt. Viele letzte Male zum Beispiel: Stammtisch-Treffen, Kindergeburtstag feiern mit allem Drum und Dran, also auch inklusive einer typisch amerikanischen Icing-Torte, das alljährliche 4th of July Feuerwerk, das verlängerte Wochenende in Florida. Dabei ist man mit den Gedanken sowieso oft schon ganz woanders: wie es wohl so wird in Deutschland? Wo wohnen wir? Wie kommen wir selber, wie kommen die Kinder zurecht? Das ganz große Ungewisse türmt sich auf… Und damit spukt auch oft diese Frage im Kopf herum: können wir nicht einfach noch länger bleiben? Hier passt doch alles!
Ich bin hier grad zufrieden. Mit einer Alltags-Routine aus Kinderbetreuung, Play Dates mit Freunden, Sport und dem gelegentlichen Besuch aus Deutschland. Beruflich tut sich so einiges; der Blog entwickelt sich. Dass meine Tochter hier schon ein Jahr früher in die Schule kommt als in Deutschland, ist kein Problem mehr für mich. Weil ich glaube, dass wir eine tolle Schule gefunden habe, auf die ich sie ohne Bedenken schicken kann. Und auch weil sie nicht mehr ganz so schüchtern ist (ihre Lehrerin sagte neulich: She finally came out of her little shell!). Und als Linguistin erfreue ich mich natürlich ganz besonders an der Zweisprachigkeit meiner Kids und an Satzkonstruktionen wie diesen hier:
I fertig.
Wohnt in einem weißen Haus ein wise man?
May I have more Nudeln, please?
Warte für mich!
Ich überlege mit meine brain.
Bei Songtexten zum Beispiel ist meine Tochter mittlerweile textsicherer als ich. Sie korrigiert gerne meine Aussprache und guckt mich verständnislos an, wenn ich auch nach 10-facher Wiederholung Laurel oder squirrel nicht richtig aussprechen kann.
Wenn ich mich dann mit meinen Freundinnen mal wieder über das Thema „Rückkehr“ unterhalte, wird mir ganz mulmig. Wir geben viel auf: eine gewohnte Alltags-Routine, einen gewissen Lebensstandard. Und ja, auch das Special sein, wie Claudia in ihrem Interview bereits erwähnt hat. Dazu noch das Wetter und das Englisch sprechen. Englisch wird in Deutschland keiner mehr sprechen, auch wir untereinander nicht (Böse Zungen behaupten allerdings, dass das Fremdsprachen lernen nach unserer Rückkehr nicht aufhört – da kommt dann als dritte Sprache das Bayerische hinzu!).
Also stelle ich mir häufiger die Frage: können wir nicht einfach noch länger bleiben? Noch 1 oder 2 Jahre? Manchmal kommt sie ganz unverhofft, plötzlich, überraschend: die gute Nachricht. Gedanklich hat man schon den Container gepackt un dann ist sie da, die Verlängerung. Bei anderen zieht sich der Auslandsaufenthalt wie Kaugummi. Eine Verlängerung bringt die nächste nach sich. Man weiß gar nicht mehr, wann man wo sein wird und wie man planen soll. Und wieder andere Expat-Familien stehen vielleicht sogar vor einer lebensverändernden Entscheidung: Warum nicht einfach bleiben? Für immer!? Expat-Status und abgesichertes Leben in Deutschland aufgeben? Ja oder nein? Hab ich alles beobachten können. Und nein, keine dieser oben beschriebenen Situationen trifft auf uns zu. Zumindest nicht aktuell.
Das Ende ist aber unausweichlich. Aufgeschoben ist eben nicht aufgehoben. Für immer gibt’s nicht. Das Leben als Expat, so wie man es kennt, muss zu Ende gehen. Wenn man selber nicht die Koffer packt, wird einem in der Regel irgendwann die Entscheidung abgenommen: Unternehmensregularien, Visa-Recht, steuerliche Bestimmungen. Also geht’s zurück. Oder man bleibt, aber mit einem lokalen Vertrag. Oder man geht einfach ins nächste Land! Einmal Expat, immer Expat!?
Wofür habt Ihr Euch entschieden? Gibt es Situationen, in denen Ihr die Entscheidung bereut habt?
Wir vermissen euch, immer noch, obwohl ihr schon seit dreieinhalb Jahren weg seid. Ich verstehe gut, dass ihr das, was ihr jetzt habt, nicht aufgeben wollt, wir Zurückgebliebenen freuen uns aber auf eure Rückkehr!!! Wenn´s nach uns ginge, bräuchte es also keine Verlängerung., Schlimm genug, dass wir noch eineinhalb Jahre warten müssen, bis wir euch wieder haben.
toll geschrieben, das emotionale Auf und Ab und Hin und Her zwischen den Welten. Ich kann Dich so gut verstehen, hab selber 10 Jahre in Wisconsin gelebt und dann haben wir uns entschieden nach Deutschland zu gehen. Ich würde deinen Text gerne auf meiner FB-Seite posten. Ist das OK? LG, Gerlinde
Hey Gerlinde, natürlich darfst du den Text posten! Lieben Gruß, Tina
Prima! Danke, Tina. https://www.facebook.com/ReloLanding
Hey Tina, das ist ein sehr spannender Artikel! Wir haben auch so viele unterschiedliche Modelle bei unserem fellow expats gesehen: Von der Rückkehr nach nur einem Jahr bis zur Komplettauswanderung.
Unser Aufenthalt in den USA wurde drei Mal verlängert, jeweils um ein halbes Jahr. Das hatte seine Vor-und Nachteile: Einerseits hätten wir bestimmt einiges anders gemacht, wenn wir von Anfang an Planungsssicherheit über den vollen Zeitraum gehabt hätten, andererseits hat das wiederholte Bangen und Freuen über die Verlängerung den Zauber des Exklusiven erhalten und wir haben so viel unternommen, gesehen und aufgesaugt, wie man es wohl nur mit einem permanenten Limit vor Augen macht.
Nach drei Jahren hat man dann aber wirklich langsam so sehr Wurzeln geschlagen und das Leben im Ausland als neue Realität/Normalität angenommen, dass die Grenzen zwischen „zu Hause“ und „Ferne“ unklar werden und sich sogar umkehren. Bei euch ist das mit echten amerikanischen Kindern bestimmt noch viel intensiver =D. Das Gehen bzw. Wiederkommen wird mit der Zeit nicht grad leichter.
Trotz Möglichkeiten zum Local Contract und Headhunter-Offerten haben wir uns dann aber zur Rückkehr nach good ol‘ Germany entschieden – nicht zuletzt wegen der fantastischen sozialen Absicherung, besonders im Hinblick auf die Familienplanung. Nun kommen wir erstmal wieder hier an, was tatsächlich auch ein nicht zu unterschätzendes Abenteuer ist, weil man alles mit ganz neuen Augen sieht und sich Deutschland nicht mehr so vertraut anfühlt. Es ist sehr spannend und aufregend, aber auch ein wenig anstrengend (weil unerwartet), sich in der alten Heimat wieder einen Alltag und Rhythmus und einen neuen Sinn für „Normalität“ zu erarbeiten. Und daneben bleibt auch die süße Melancholie und das Heim/Fernweh als ständiger Begleiter, weil einen das Gastland schon entscheidend geprägt hat.
Trotz all der hickups und des Lebens außerhalb der Komfortzone würde ich alles wieder genauso machen. Denn eben dieses intensive Durchleben emotionaler Achterbahnen unterscheidet die Expat Experience von einem einfachen Urlaub und lässt einen über den Horizont hinausschauen und wachsen.
Der Drang, die Welt zu entdecken, hält sich bei mir übrigens tapfer: Gerade träume ich von einem ausgedehnten Neuseeland-Aufenthalt in der Elternzeit. Und falls sich bei einem von uns nochmal die Möglichkeit zu einer Auslandsentsendung ergibt (was sehr gut möglich ist bei einem Global Player als Arbeitgeber), wären wir sofort wieder mit dabei =D.
Ich wünsche Dir und Deiner Familie eine wundervolle restliche Zeit und ein aufregendes, aber schönes Wiederankommen!
lg,
pia
Hallo Pia, danke für Deinen ausführlichen Kommentar. Wenn ich an unsere Rückkehr denke, stelle ich mir Deutschland auch einfach als neues Abenteuer vor, als eine neue Herausforderung. Die Erwartungen werden aber bestimmt andere sein, vor allem auch von unserem Umfeld an uns. Wie hast Du das so erlebt? Hat Dich der Auslandsaufenthalt sehr verändert? Wie haben Familie und Freunde reagiert?
Wir waren übrigens während der Elternzeit mit dem Wohnmobil in Australien! Kann ich nur empfehlen und stillt erstmal wieder die Sehnsucht, Neues zu entdecken ;-) Liebe Grüße Tina
Auch Pia’s Beitrag spricht mir aus der Seele.:“Und daneben bleibt auch die süße Melancholie und das Heim/Fernweh als ständiger Begleiter, weil einen das Gastland schon entscheidend geprägt hat.“
Das trifft’s auf den Punkt.
Dem kann ich nur zustimmen!