Wenn man in den Südstaaten der USA lebt, ist eins schnell klar. Eine Waffe hat hier jeder. Zuhause, am Mann, im Auto. Woher ich das weiß? Nicht, weil ich es mit meinen eigenen Augen gesehen habe. Aber es wird oft offen und ausführlich darüber geredet.
Nur nicht vor und bei Playdates.
Da gibt es den Nachbarn, der seine Waffe beim Gassi gehen mit dem Hund dabei hat und unbewaffnet noch nicht mal einen Film im Kino angucken würde. Eine Nachbarin lagert auf ihrem Dachboden ein ganzes Waffen-Arsenal, das Männeraugen zum Leuchten bringen würde. Und Ausflüge zur Shooting-Range gehören in manchen Familien zu einem Sonntag genauso dazu wie der Besuch des Gottesdienstes.
Bislang habe ich über Waffenbesitz nicht weiter nachgedacht, bin Gesprächen über dieses Thema aus dem Weg gegangen, habe in den Ausblendungs-Modus geschaltet. Aus reinem Selbstschutz. Denn wenn ich mich mehr mit dem Thema auseinandergesetzt hätte, dann hätte ich sie nicht mehr ignorieren können, die Angst. Der nervöse „Elevator“-Blick würde mich überall hin begleiten: zeichnet sich da etwa eine Waffe unter dem T-Shirt ab? Sind im Handschuhfach wirklich nur Taschentücher? Und warum lässt der Papa seine Waffe nicht im Auto (oder Zuhause), wenn er seine Kinder in den Kindergarten bringt? Ein Polizist ist er nicht, aber vielleicht arbeitet er ja undercover!?
Die Frage nach „Do you have a gun?“ ist also überflüssig. In letzter Zeit wird allerdings die Frage „Where is your gun?“ auf einmal relevant. Warum? Weil meine 5-jährige Tochter langsam in das Alter kommt, dass sie sich mit Freundinnen aus dem Kindergarten oder aus der Nachbarschaft zu Playdates verabredet. Alleine. Ohne Mama.
In vielen Fällen kenne ich die anderen Mamas noch nicht mal mit Namen. Was also bedeutet, dass ich noch niemals deren Haus betreten habe, geschweige denn ihre Meinung zum Thema „Waffenbesitz“ kenne oder weiß, ob sie einen abschließbarem Waffenschrank besitzen. Und den auch nutzen. Was ist also zu tun? Sollte ich mich ab jetzt so vorstellen:
Hi, I’m Tina.
My daugther would like to come to your house to play with your daugther.
Is your gun locked away?
In meinem Kopf geht die Vorstellungsrunde noch weiter:
Do you mind if I see for myself?
Why? Because I’m from Germany. And in Germany, we don’t do guns. Not at all. It freaks me out knowing that my daugther is playing at your house and there might be a gun close by. Even though it is locked away. Or taken apart. Or that the ammunition is kept separately. I’m not used to guns and I never will be!
Eigentlich müsste es so laufen und natürlich sollte ich auf meine Frage eine ehrliche und hoffentlich beruhigende Antwort bekommen. Ohne dass der gerade hergestellte Kontakt gleich wieder im iPhone-Papierkorb verschwindet. Aber so eine Frage dringt ja auch ganz schön weit in die Privatspähre ein!
Zum Glück ist meine Tochter überhaupt gar nicht an Waffen, Rumballerei und Krieg spielen interessiert. Wenn die Nachbars-Jungs sich im Park wieder mal vermummt in die Büsche schlagen, spielt meine Tochter lieber mit ihrem Bruder Fußball, macht Seifenblasen oder schaukelt bis in den Himmel. Ich weiß also, dass sie sich bei einem Playdate begeistert auf Kostüme, Puppen, Barbies, Glitzer, Glitter und Pink stürzen wird und alles andere nicht einmal ansatzweise wahrnimmt.
Bei meinem Sohn sieht das ganz anders aus. Er schießt und kämpft mit allem, was sich auch nur im Entferntesten als Waffe nutzen lässt. Junge eben. Eine echte Waffe würde er bestimmt anfassen wollen und auch daran herumdrücken. Zum Glück ist er erst 2; Playdates finden zwar statt, aber noch nicht allein. Nur mit Mama.
Aber auch ich kann meine Augen nicht immer überall haben!
Bei unserem nächsten Playdate werde ich mir ein Herz fassen und ganz vorsichtig und indirekt die richtigen Fragen stellen. Ich muss ja nicht auf die typisch deutsche poltrige Art das Thema direkt ansprechen!
Das sollte eigentlich mein Schlusswort sein. Grad kam aber mein Mann von draußen rein. Ohne unsere Tochter. Die ist zum Spielen bei den neuen Nachbarn…
Hallo Tina, das Thema mit Playdates und Waffen kann ich voll nachvollziehen. Bei uns ist es zwar schon eine Weile her, dass wir in USA gelebt haben, aber mir war auch so unwohl dabei, zu wissen, mein Sohn übernachtet sogar bei einem Klassenkameraden, bei dem es Waffen zu Hause gibt. Glücklicherweise kannten wir die Leute gut und haben vorsichtig nach den Waffen gefragt und bekamen die Antwort, sie seien gut weggeschlossen – Trotzdem. Man möchte es war immer ein sehr ungutes Gefühl dabei.
Hallo Britta, vielen Dank für Deinen kurzen Erfahrungsbericht. Wenn man das nicht selber miterlebt hat, kann man es sich schlecht vorstellen, dass es wirklich so ist! Und man nicht übertreibt, dramatisiert oder pauschalisiert. Natürlich kommt es immer drauf an, in welchem State man lebt. Aus Rhode Island zum Beispiel kenne ich das nicht. Da hatte ich aber auch noch keine Kinder… Lieben Gruß, Tina